Ich gebe es zu – ich hatte schon ein wenig Angst
vor den Elchen. Ihr wisst schon, einige Modelle einer deutschen,
nicht-bayerischen Nobelautomarke neigen zu Purzelbäumen, wenn sie mit überraschenden
Auftritten dieser typisch skandinavischen Riesen-Geweihträger
konfrontiert werden. (Besonders
diejenigen Modelle, von denen jeweils zwei auf einem einzigen Parkplatz
Platz finden.)
Ich persönlich habe nur sehr wenige Elche gesehen.
Die waren erstens sehr weit weg, so dass man sie nur mit dem Feldstecher
vernünftig beobachten konnte. Auf den Fotos sind nur schwarze Punkte zu
erkennen.
Rentiere sind dagegen sehr viel häufiger. Wieso
haben die Autobauer mit dem Stern ihren Test denn nicht „Rentiertest“
genannt? Die Frage ist sehr einfach zu beantworten: Rentiere tauchen
niemals plötzlich am Strassenrand auf. Vielmehr stehen sie schon mitten
auf der Strasse, wenn das Auto auftaucht, und verziehen keine Miene. Und
es käme ihnen nicht im Traum in den Sinn, von der Strasse zu
verschwinden.
Solche Situationen eignen sich übrigens vorzüglich,
um die Touristen von den Einheimischen zu unterscheiden. Die einen steigen
aus und zücken die Fotokameras, die anderen hupen, fuchteln wild mit den
Händen herum und versuchen, die Rentiere mittels sanften Berührungen mit
der Stossstange zum Verlassen der Verkehrswege zu animieren.
Rentiere sind übrigens keine wilden Tiere. Sie
werden von den einheimischen Sami (das sind die Ureinwohner) gezüchtet,
laufen aber meistens frei in der Gegend herum. Das läuft also ähnlich
wie bei uns die Schafzucht – nur dass die Rentiere nicht von Wölfen
gefressen werden.
Wölfe gibt es hier übrigens auch. Die leben aber
gesünder als ihre Artgenossen in der Schweiz. Das liegt daran, dass es
hier weniger Walliser gibt, die sie zufällig überfahren könnten. Habe
aber nie einen gesehen. (Ich meine die Wölfe, einen Walliser habe ich
gesehen, der sass meistens auf dem anderen Sitz im gleichen Auto, hat aber
nie einen Wolf überfahren.)
Die erwähnte Rentier-Situation widerfuhr uns auf dem
Weg ans Nordkapp. Das
Nordkapp ist der nördlichste Festland-Punkt
Europas. An dieser Aussage stimmen allerdings zwei kleine Details nicht:
- Das
Nordkapp liegt nicht auf dem Festland, sondern auf einer Insel, die
allerdings durch einen Unterwassertunnel festland-mässig erreichbar
ist.
- Das
Nordkapp ist nicht der nördlichste Punkt der Insel, sondern eine
nebenan gelegene Halbinsel. Aber diese ist weniger schön als das
Nordkapp, ausserdem führt da keine Strasse hin, also hat man sich
geeinigt, diese kleinen Unstimmigkeiten zu ignorieren, und den
heutigen Standort zum Nordkapp zu erklären.
Der Unterwassertunnel ist 7 km lang und befindet sich
am tiefsten Punkt 200 Meter unter der Meeresoberfläche. Zuerst geht es
3,5 km lang steil runter, danach 3.5 km lang ebenso steil wieder rauf. Das
ist keine Sache für den geübten Autofahrer. Aber es war wohl ein gröberes
Problem für die vielen Velofahrer, die sich ebenfalls durch die Röhre quälten.
3,5 km lang eine Steigung hinauf in einem schlecht belüfteten und
schlecht beleuchteten Tunnel? Ich war mit meiner Wahl des Verkehrsmittel
äusserst zufrieden.
Das Nordkapp an sich ist nichts besonders. Eine
Klippe halt, die zufällig die zweitnördlichste Europas ist. Und das
bleibt sie nur, solange der Nordpol seine Position nicht wechselt, was er
alle paar Millionen Jahre mal tut. Die Berühmtheit ist also
wahrscheinlich nur von kurzer Dauer, in geologischen Zeiträumen
gerechnet, natürlich.
Also musste man sich was einfallen lassen, um die
Touristen an diese normale Klippe zu locken. Und die Norweger haben sich
was einfallen lassen! Sie haben das Nordkapp-Zentrum gebaut.
Im Zentrum hat es einen Souvenirshop (natürlich),
ein Restaurant und ein Postbüro, das bis morgens um 2 Uhr offen hat. Auf
dem Dach hat es eine Kugel, das eine Hochzeitssuite beherbergt.
Unter dem Komplex gibt’s ein 180-Grad-Kino, in
welchem ein sehenswerter Film mit Flugaufnehmen der Gegend dort zu sehen
ist. Daneben führt ein Tunnel zur Klippe.
Bei der Klippe hat es eine unterirdische Bar. Da
hocken sich die Touristen hin und schlürfen ihre Drinks und Kaffees.
Dabei werden sie von einer einheimischen Band unterhalten, die Whitney
Houston und The Beatles spielen. (Lösungsvariante 4 für das
Musik-Problem: Musikinstrument spielen lernen und das Instrument auch auf
die Reise mitnehmen. Ideales Instrument aus musikalischer Sicht: Gitarre.
Ideales Instrument aus reisetechnischer Sicht: Triangel. Passt auch besser
zu meiner musikalischen Begabung.)
Die ganze Zeit schaut man dabei auf eine Art
Leinwand. Doch um genau 0:00 Uhr verwandelt sich die Leinwand in einen
Vorhang, der heraufgezogen wird, um den Blick freizugeben auf die vorüberziehende
Mitternachtssonne.
Es ist ein komisches, aber auch ein gutes Gefühl,
irgendwo im Nirgendwo in einer stilvollen Bar zu sitzen, und die Wunder
der Natur zu beobachten. (Bescheuert, aber trotzdem ein gutes Erlebnis!
Siehe auch die Pinguine in Neuseeland.)