Sydney, Australien, 27. Februar 2000
Hallo Heimat!
Schon wieder ist ein weiterer Monat durchs Land gezogen. In diesem Monat habe
ich genug erlebt, um wieder einige Seiten mit Unsinn zu füllen, und Euch einige
Minuten von Eurer Arbeit/Studium/Freizeit abzuhalten.
Der letzte Reisebericht kam - wenn ich mich richtig erinnere - aus Christchurch.
In Christchurch fand zu der Zeit gerade das "World
Buskers Festival" statt. Bei dem Festival traten etwa 3 Duzend
Strassenkünstler aus der ganzen Welt (naja, aus der englischsprachigen Welt)
auf verschiedenen Plätzen in der Stadt auf. Da gab es Jongleure, Komiker,
Artisten usw. Ich habe fast die ganze Zeit in Christchurch bei dem Festival
verbracht.
Beim Flughafen Christchurch befindet sich die Basis für die Antarktis-Stationen
Neuseelands, der USA und Italiens. Das ist der ideale Ort zum Besuchen, wenn man
noch ein paar Stunden auf das Flugzeug nach Australien warten muss. Bei der
Basis hat es ein wunderbares Museum, in dem man alles über die Antarktis
erfährt. Ausserdem kann man eine Tour mit einem schwedischen
Polargefährt namens "Hägglund" machen. Während der Tour besucht man
die Bekleidungshalle, wo Hunderte von
Kleidungsstücken und anderen Ausrüstungsgegenständen aufbewahrt werden, die
die Südpolforscher vor der Kälte bewahren soll.
Das Hägglund-Mobil fuhr auch zum benachbarten Flughafen, wo ein riesiges
amerikanisches Transportflug in der Gegend rumstand und für den nächsten Flug
vorbereitet wurde. Ende Februar beginnt in der Antarktis nach 3 Monaten Sommer
wieder der Winter, und bis dann müssen die meisten Leute dort herausgeholt
werden.
Danach wurde uns noch demonstriert, was ein Polarmobil so alles drauf hat: Das
Teil kann nämlich bis zu 3 Meter hohe, senkrechte Steigungen hinauf und
hinunterfahren, und dass mit 40 Stundenkilometern! Ausserdem ist es
schwimmfähig, was auch gleich in einem tiefen Wasserbecken demonstriert wurde.
Eine Stunde später flog ich nach Australien. Die Ankunft dort war absolut
brutal. Es war in
Melbourne um die 42 Grad Celsius heiss! Im Schatten! Und das bei sehr hoher
Luftfeuchtigkeit! Und dabei war ich doch an die Temperatur von Christchurch
gewöhnt, die lag bei 12 Grad Celsius!
Da es auch in den nächsten Tag in Melbourne so heiss war, verbrachte ich zwecks
Kühlung der inneren Organe viel Zeit in den klimatisierten Kinos - was für
eine Wohltat! Dummerweise streikten zu der Zeit die Arbeiter von 2
Kohlekraftwerken in der Gegend. Da ohne die beiden Werke nicht genug Strom zur
Verfügung stand, wurden kurzerhand die Klimaanlagen ausgeschaltet. Aus war es
mit der kühlen Herrlichkeit!
Am 12. März findet in Melbourne der Formel 1 Grandprix statt, was mich
natürlich sofort auf die Idee brachte, an dem Anlass zuschauenderweise
teilzunehmen. Leider sind für das erwähnte Datum sämtliche Herbergeplätze,
billige Hotelbetten und Liegeplätze unter Brücken ausgebucht. Das billigste
Hotelzimmer, das ich noch finden konnte, kostet etwa 600 sFr. für 3 Tage!
Es war immer noch heiss und die Klimaanlagen waren immer noch ausgeschaltet.
Also buchte ich kurzerhand eine 2tägige Tour, die mich aus der heissen Stadt
hinaus an den kühlen Strand inkl. kühler Brise bringen sollte. Die Tour
startete mit der Great Ocean Road. Diese Strasse verläuft von Melbourne aus der
Küste entlang Richtung Westen. An der Great Ocean Road hat es ein paar
berühmte Surfstrände. Der Film "Point Break" (falls den jemand
kennt, mit Patrick Swayze und Keanu Reeves) spielt an einem dieser Strände.
Etwa 100 Kilometer von Melbourne entfernt hat irgendjemand ein paar riesige
Steintürme ins Meer hinausgestellt und sie "Die
12 Apostel" genannt. Zwei der Apostel waren allerdings etwas schwach auf
den Beinen, so dass man heute nur noch deren 10 bewundern kann.
Gleich nebenan liegt die "London Bridge".
Das ist auch ein Steinturm im Meer draussen, der bis vor 10 Jahren oder so durch
eine natürliche Brücke mit dem Festland verbunden war. Doch dummerweise befand
sich zu dem Zeitpunkt, als die Brücke einstürzte, ein Paar draussen auf dem
Steinhaufen. Die beiden wurden nicht verletzt oder so, aber sie konnten halt
nicht mehr zurück. Der nächstgelegene Rettungshelikopter befand sich gerade in
einer Übung. Die Verantwortlichen wollten die Übung nicht abbrechen, da ja
schliesslich niemand verletzt war. Also fragten sie eine Fernsehstation an, ob
diese die beiden Leute nicht mit ihrem Helikopter herausholen konnten. Das war
natürlich eine gute Story, und die Fernsehleute machten sich auf den Weg. Doch
als die beiden Personen draussen die Fernsehkameras sahen, versteckten sie ihre
Gesichter, so gut es ging. Nachdem sie gerettet waren, verdufteten sie unerkannt
und ohne Interview. Später hat sich dann herausgestellt, dass die beiden
verheiratet waren - aber nicht miteinander. Ausserdem hatten sie sich bei ihren
Arbeitgebern krank gemeldet, um den Tag gemeinsam verbringen zu können. Blöde
Situation....
Am zweiten Tag der Tour besuchten wir einen
Koalapark und eine Pinguin-Kolonie auf der
"Philipp Island". Das ist ein sehr interessanter Ort. Rund um eine
Bucht wurden Tribünen aufgestellt, auf denen sich kurz vor dem Sonnenuntergang
ein paar Hundert Touristen versammeln. Das ganze sieht aus wie ein
Fussballstadion oder so. Kurz nach dem Sonnenuntergang kommen Hunderte von
kleinen Pinguinen aus dem Wasser und watscheln vor den Augen der Touristen zu
ihren Nistplätzen. Was denken die wohl von uns Menschen?
Wahrscheinlich zahlen die Pinguine ebenfalls Eintritt für den Strand. Die
"Human Watching Tour" scheint eine grosse Attraktion zu sein bei den
Pinguinen...
Am Tag danach verliess ich Melbourne und fuhr mit dem
Zug via Adelaide nach Alice Springs. Dort hatte ich eine Tour zum Ayers Rock
gebucht. Alice Springs liegt inmitten des australischen Outbacks, und ist
rundherum mindestens 1'500 Kilometer von der nächsten grösseren Stadt
entfernt. Ausserdem liegt sie in einer der trockensten Gegenden der Welt - nur
in der Antarktis hat es noch weniger Niederschlag. Das heisst,
NORMALERWEISE ist die Gegend so trocken. Denn kurz nach Adelaide begann es zu
regnen. Auf beiden Seiten der
Bahnlinie - dort wo eigentlich die Wüste liegen sollte - sah man Wasserlöcher,
viel Gras und grüne Sträucher.
Ich verbrachte 4 Tage in Alice, und es regnete an 4 Tagen. Sämtliche Strassen
um die Stadt lagen unter Wasser, man konnte Alice nur noch per Zug oder per
Flugzeug erreichen. Die Tour zum Ayers Rock konnte ich natürlich vergessen. Zum
Glück ist Alice Springs eine sehr
interessante Stadt, in der man sehr viel unternehmen kann. Da hat's ein Denkmal
vom 1. und 2. Weltkrieg auf einem Hügel, ein Kino, 2 Internet-Cafés - ähm -
habe ich das Kino schon erwähnt? - ähm - und ein paar Fast-Food-Restaurants.
Die Firma KFC (Kentucky Fried Chicken) konnte allerdings wegen
Nachschubproblemen nicht mehr alle Menüs und auch kein Ketchup mehr anbieten.
Und in der ganzen Stadt waren alle Gumel ausverkauft! (Für alle
Nicht-Einsiedler: Gumel = Kartoffel)
Da der Zug die einzige Möglichkeit darstellte, aus Alice Springs herauszukommen
(dem Flughafen war unterdessen der Sprit ausgegangen), fand sich die halbe
Touristenschar aus Alice im Zug nach Adelaide wieder.
In Adelaide teilte ich ein Zimmer mit Michael aus Bremen, der schon in Alice
Springs im gleichen Zimmer hauste wie ich. Mit ihm machte ich am nächsten Tag
eine Winery-Tour durch die Weingüter in der Umgebung von
Adelaide. Dort wird nämliche die Hälfte des australischen Weines hergestellt.
Wir besuchten 4 Weingüter und degustierten reichlich. Die haben ein paar ganz
interessante Weine, z.B. ein gefrorener Wein. Der war nicht wirklich gefroren,
sondern nur stark gekühlt und mit Eiskristallen durchsetzt. Ausserdem hatte es
noch ein seltsames Gebräu, ein Gemisch aus Wein und Honig. Kalt schmeckt der
Saft reichlich komisch, aber erhitzt ist er köstlich.
Am Tag später sass ich im Kino und sah mir den Film "The Green Mile"
an. Im Kino traf ich auf eine hübsche Amerikanerin namens "Yasmine",
die im Zug von Alice nach Adelaide direkt neben mir sass. Wir machten aus, den
folgenden Tag miteinander zu verbringen. Eigentlich habe ich eine innere
Abneigung gegen Badestrände. Doch als Yasmine sagte, sie würde gerne an den
Strand gehen, war die Abneigung urplötzlich weg. Seltsam, nicht?
Dummerweise erwischte ich an dem Strand trotz viel Sonnencreme und trotz
bedecktem Himmel einen recht starken Sonnenbrand an den Beinen. Wenigstens sind
dadurch auch meine Füsse braun geworden, und passen jetzt zum Rest von meinem
Körper...
Einen Moment, gerade erscheint eine Vision vor meinen Augen: Ich sehe meinen
Boss Ares vor dem PC sitzen und sagen: "Ich hab's ja gewusst!" Ares
hat mal gesagt, er habe geträumt, dass ich verheiratet von meiner Reise
zurückkommen werde! Doch das muss ich allerdings klar dementieren. Ich habe bis
heute weder Ehe- noch andere Versprechen abgelegt, auch nicht mit Yasmine! Alles
klar?
Für alle, die Ares nicht kennen: Nein, ich arbeite NICHT für den griechischen
Kriegsgott! Ich bin ein friedlicher Mensch! Ares Bernasconi ist der
Geschäftsführer der Firma BFI, die mit regelmässigen Überweisungen auf mein
Lohnkonto mithilft, mein Leben ziemlich angenehm zu gestalten.
OK, ich gebe zu, ich bin etwas abgeschweift, also werde ich zurückschweifen und
meinen Reisebericht in Broken Hill fortsetzen.
Broken Hill
ist eine Minenstadt zwischen Adelaide und Sydney.
Die Leute da haben ein paar Löcher in die Gegend gebuddelt, und Silber, Zink
und einige weitere Mineralien (deren englische Namen ich leider nicht kenne und
deshalb auch keine Ahnung habe, wie sie auf deutsch heissen) aus dem Boden
geholt. Man kann sogar eine Underground-Tour in einer alten Mine machen,
so richtig mit
Helm und Helmlampe und so.
In der Nähe von Broken Hill liegt eine Geisterstadt namens Silverton,
die vor 50 Jahren oder so eine Minenstadt mit 3'000 Einwohnern war. Heute hat's
da nur noch ein paar Rouinen, eine Beiz, ein paar Künstler und ein Museum. Naja,
eigentlich eher ein Schrottplatz, an dessen Eingang ein altes Schild mit dem
Text "Museum" hängt. In der Gegend um Silverton wurden einige
Hollywood-Filme gedreht, unter anderem "Mad Max 2".
In Broken Hill gibt's eine "School of the Air". Von hier aus werden
die Kinder in den abgelegenen Farmen in 500 Kilometern Umkreis per Funk
unterrichtet. Ich durfte eine Funk-Gesangsstunde miterleben. Da singt der Lehrer
den Kindern am Funk ein Lied vor. Danach singen die Kinder gemeinsam zurück.
Einen kleinen Haken hat die Sache: Wenn die etwa 20 Kinder singen, können sie
sich gegenseitig nicht hören. Das macht die Synchronisation untereinander etwas
schwierig. Jedes Kind singt in seinem eigenen Tempo, und das Endergebnis hat
relativ wenig Ähnlichkeit mit Musik.
Ebenfalls in Broken Hill befindet sich eine Basis der
"Royal Flying Doctors". Ihr habt bestimmt schon mal die alte
Fernsehserie über die Flying Doctors gesehen, also kann ich mir ja weitere
Ausführungen sparen.
In Broken Hill hat es seit über einem Jahr nicht mehr geregnet. Bis etwa 30
Minuten nach meiner Ankunft, da begann es in Strömen zu Regnen. Kurz danach
wurden die Strassen gesperrt... Kommt Euch das bekannt vor?
Ich habe mir schon überlegt, ob ich meinen Beruf wechseln soll. Ich könnte
mich doch zum Eidg. Dipl. Regenmacher umschulen lassen, und meine Dienste für
ein paar Dutzend Millionen US-Dollars den Saudis oder den Kuwaitis anbieten. Die
würden bestimmt ein paar Scheine für ein bisschen Regen locker machen. Und da
mir der Regen wie ein Hündchen folgt, bin ich bestens qualifiziert für den
Job.
Mittlerweile bin ich in
Sydney eingetroffen, der Olympiastadt 2000. Hier durfte ich endlich die
langerwartete Post aus der Schweiz entgegennehmen! Eigentlich hatte ich
Melbourne als Kontaktadresse angegeben, doch mit Ausnahme von einem Brief hatte
es die Post nicht rechtzeitig dahin geschafft. Doch hier in Sydney durfte ich 3
Päckchen von der Hauptpost abholen! Alle prallgefüllt mit Schokolade! Vielen
Dank an die Absender! (Wo soll ich bloss mit all der Schoggi hin?)
In Sydney hab' ich schon ein paar interessante Sachen gesehen. So habe ich das
weltberühmte
Opernhaus besucht und eine Führung durch die Innereien des Gebäudes
mitgemacht. Eigentlich ist das Opernhaus gar kein richtiges Opernhaus. Es
beherbergt nämlich 5 verschiedene Theater- und Konzertsäle, und nur einer der
kleineren Säle ist für die Oper brauchbar. Der grosse Saal dagegen ist ein
Konzertsaal. Die Regierung vom Staat New South Wales hat das Gebäude damals nur
aus Prestigegründen Opernhaus genannt. Das hat ihr aber nicht viel gebracht.
Nach viel Unruhe um den Bau und massiven Kostenüberschreitungen musste die
Regierung Ende der 60er Jahren nämlich ihren Hut nehmen. Und tschüss....
Es gibt aber auch noch anderes zu tun in Sydney: Da gibt's z.B. die
Harbour Bridge, über die man auf zwei verschiedene Arten tschalppen kann:
Erstens über die normale Brücke, wo auch die Autos und die Züge
drüberfahren. Das ist gratis. Und zweitens über den Brückenbogen, das kosten
97 Franken. Ich habe mich für die erste Variante entschieden.
Ausserdem hat Sydney ein sehr gutes
Aquarium. Dort kann man in Plexiglasröhren durch das Meer tschienggen und die
Haie, Riesenschildkröten und anderen Viecher von unten beobachten.
Eine weitere Attraktion sind die Fox Studios, wo gerade der Film "Mission
Impossible 2" mit Tom Cruise abgedreht wurde. Zur Zeit wird dort "Moulin
Rouge" mit Nicole Kidman gedreht, danach sind sämtliche Studiohallen für
die nächsten 2 Jahre nur für zwei Filme reserviert: "Star Wars Episode
2" und "Star Wars Episode 3". Die beiden Filme werden aus
Kostengründen gleichzeitig gedreht.
So, das war's. Ich hoffe, ich habe Euch nicht gelangweilt mit meinem ellenlangen
Bericht. Falls ich Euch doch gelangweilt habe: Selber schuld, wenn Ihr bis zum
Ende durchlest.....
Ach ja, ich habe mein Formel 1 - Problem gelöst, ohne dass ich ein
schweineteures Hotelzimmer bezahlen muss. Ich werde mit dem Zug von Brisbane via
Sydney nach Melbourne fahren, komme dort am Sonntag Morgen an, schaue mir das
Rennen an und fahre am Abend wieder zurück nach Sydney und später nach
Brisbane. Das sind nur etwa 5'000 zusätzliche Kilometer oder so....
Viele Grüsse aus Down Under
Marcel Schnyder, Eidg. Dipl. Regenmacher
PS: Das Wetter in Sydney ist wunderschön - sonnig aber nicht zu heiss. Mit
Ausnahme von heute Sonntag, denn heute regnet es - natürlich.