Christchurch, Neuseeland, 30. Januar 2000
Hallo Daheim- und Anderswogebliebene
Meine Tage in Neuseeland gehen langsam zuende. Am nächsten Mittwoch (2. Februar) werde ich nach Melbourne weiterfliegen. Das ist doch ein guter Augenblick, um mal wieder einen Reisebericht zu verfassen.
Ich glaube, den letzten Bericht habe ich in Greymouth geschrieben. Etwa eine Stunde nördlich von Greymouth sind die
Pancake Rocks. Pancake heisst zu Deutsch Pfannkuchen.
Ihr habt doch sicher alle schon einen Donald Duck-Comic gelesen? Manchmal trägt der gute Donald nämlich Dutzende auf einem Teller aufgetürmte Omeletten in der Gegend herum. Das sind gar keine Omeletten, dass sind
Pancakes! Leider schmecken die Dinger nach nichts, deshalb werden sie vor dem Verzehr unter einer dicken Schicht Ahornsirup begraben. Beat und Sara haben zum Zmorgen manchmal solche Pancakes gemacht, ich konnte mich aber nicht so sehr mit dem extrem süssen Ahornsirup anfreunden, deshalb habe ich mir die Dinger wieder abgewöhnt.
Die Pancakes Rocks sehen aus wie Hunderte aufeinandergetürmte Pfannkuchen. Diese Felsen stehen direkt am Meer. Während Jahrtausenden hat das Wasser Rillen in die Felsen geritzt, um sie nach dem amerikanischen Vorbild zu formen.
Zwischen diesen seltsamen Felsen hat es tiefe Löcher, die auf Höhe des Wassers miteinander verbunden sind. Bei Flut kommen nun die Wellen vom Meer her in diese Löcher. Das Wasser spritzt dabei meterhoch und kommt oben aus dem Löchern raus. Das sieht einfach grossartig aus!
Ebenfalls in Greymouth hat es eine nachgebaute Goldgräberstadt namens "Shankytown". Dort kann man unter Anleitung Gold waschen. Ich habe doch tatsächlich aus einer handvoll Sand Gold im Wert von 2
NZ$ herausgeholt. Jeder andere Tourist hat genausoviel Gold in seinem Sandhäufchen gefunden, was für ein Zufall! Ist doch toll, dass die Natur die Reichtümer so schön gleichmässig verteilt...
Ich habe mein neu erworbenes Vermögen natürlich schleunigst in die Heimat geschickt. Falls jetzt jemand mit dem Gedanken spielen sollte, die Postkutsche von Neuseeland in die Schweiz zu überfallen, um mir meinen Goldreichtum wegzunehmen, der kann das sein lassen. Das Edelmetall ist nämlich schon lange zuhause angekommen und wurde von meinen wohnungshütenden Bruder Patrick im sichersten heimischen Banktresor versorgt. (Oder etwa nicht?)
Südlich von Greymouth fand am selben Tag ein Pferderennen statt. Das war DAS EREIGNIS an der Westküste! Tausende von Kiwis (siehe Reisebericht Nr. 1) haben ihre Biervorräte zusammengepackt, sind mit Auto und Familie ins Grüne gefahren, und haben ihr schwerverdientes Geld auf irgendwelche lahme Gäule gesetzt und die Biervorräte entsorgt. Wir waren sehr weise und haben nichts gewettet, und konnten unsere Reise dank weiterhin vorhandenem Reisebudget fortsetzen.
Wir fuhren nach Süden zum Franz-Josef- und zum
Fox-Gletscher. Erster wurde nach einem österreichischen Kaiser oder so benannt. Beide sind ziemlich
aussergewöhnlich, reichen sie doch beide bis in den Regenwald hinunter. Ausserdem sind sie zusammen mit ein paar Gletschern in Chile die einzigen Gletscher der Welt, die wachsen anstatt zu schrumpfen. Das liegt daran, dass sie in einer der feuchtesten Gegenden der Welt liegen. Hier regnet es bis zu 10 Meter im Jahr! Allerdings nicht in diesem Jahr. Dieser Sommer ist nämlich sehr komisch: Dort, wo es normalerweise regnet, nämlich an der Westküste,
ist das Wetter wunderschön sonnig und warm. In der Sonnenstube des Landes, an der Ostküste, regnet es dafür ständig.
Dank dem schönen Wetter konnten wir sogar eine Gletschertour auf dem Fox Glacier machen. Am Tag danach wollten wir eigentlich noch einen Helikopterflug rauf zum Mt. Cook machen. Doch leider war das der einzige neblige Tag während der ganzen 2 Wochen an der
Westküste.
Also zogen wir weiter nach Süden nach Haast. Das ist ein ziemlich langweiliges Kaff mit nur 2 Attraktionen: Die längste einspurige Brücke Neuseelands, und Sand Flies (Sandfliegen). Das sind sehr kleine und sehr lästige Fliegen, die einen an jeder freien Hautstelle des Körpers
beissen.
Weiter ging's nach Wanaka. Das ist ein wunderschöner Ort, im Landesinneren an einem See gelegen. Es ist mit Lugano vergleichbar, aber etwas kleiner. Guter Ort zum Sonnen und herumliegen. Ausserdem ist
"The Maze" in Wanaka. Das ist ein begehbares Labyrinth mit 1500 Metern Irrwegen. Ausserdem hat es ein schräggestelltes Haus, in dem das Wasser aufwärts zu laufen scheint, und eine Halle mit Hologrammen. Es gibt noch weitere Mazes in der Welt, doch das in Wanaka ist das Original.
Die nächste Station war Queenstown, die Touristenhauptstadt Neuseelands. Jeder kommt hierher! Hier wurde vor 20 Jahren oder so das
Bungygumpen erfunden, behaupten sie. Wir haben die Bungyspringer an einer Brücke beobachtet: Wenn wieder ein neuer Bus vollgestopft mit Touristen ankommt, springt wegen dem Gruppendruck praktisch der ganze Bus von der Brücke runter. Das sieht dann fast aus, als würden die Touristen per Fliessband von der
Brücke
gestossen.
Ich habe in Queenstown niemals den festen Boden unter den Füssen verlassen.
Weiter ging's nach Te Anau, dem Ausgangspunkt zum berühmten
Milford Sound. Der Milford Sound ist ein
Bergtal, in dem das Wasser recht hoch steht. Der Meeresspiegel liegt auf halber Höhe der Berge rundherum. Auf beiden Seiten des Sounds steigen die Felswände praktisch senkrecht in die Höhe, und einige Wasserfälle fallen direkt ins Meer hinunter. Es gibt Leute, die bezeichnen den Milford Sound als das 8. Weltwunder. Ich war nicht so sehr beeindruckt - der Urnersee sieht nämlich in etwa gleich aus. Für Flachländer muss es allerdings ein gewaltiger Anblick sein.
In Te Anau trennte ich mich von meinen beiden Reisebegleitern Sara und Beat. (Obwohl ich meinen
Glücks-Chlaus, den ich am Ankunftstag in Auckland von den beiden erhalten hatte, im Auto
liess, hatten sie ein paar Tage später eine Autopanne. Merke: Auf Glücks-Chläuse ist kein Verlass!)
Ich fuhr per Bus weiter nach Invercargill, der südlichsten Stadt Neuseelands. Ist eine ziemlich langweilige Stadt. Allerdings traf ich dort interessante Leute: Reece und Sophie aus London. Reece ist ein Tontechniker, der für Leute wie Dave Stewart, Natalie Imbruglia und Jon Bon Jovi arbeitet. Wir waren zusammen an einem Konzert der Gruppe
"The Exponents". Das ist eine der berühmtesten Bands Neuseelands, sie haben's nur nie ins Ausland geschafft. Sie werden's auch nicht mehr, denn nach Abschluss dieser Tour wird sich die Band auflösen. Die Gruppe musizierte schon seit 18 Jahren!
Invercargill
liegt schon fast wieder an der Ostküste, also regnete es dort natürlich. In der Nähe hat es einen Hafen und eine Ortschaft namens
"Bluff". Da hat es ein
Strassenschild, auf dem steht "London 18520 km, Tokyo 9530 km". Eine schweizerische Stadt ist nicht erwähnt, also kann ich's nicht ganz ernst nehmen...
Weiter ging's nach Dunedin, viertgrösste Stadt
NZ's, mit 120'000 Einwohnern. Am ersten Tag regnete es auch noch, aber dann kam nach langen Wochen endlich wieder mal die Sonne raus! Auf Stadtgebiet von Dunedin liegt die einzige Albatross-Kolonie auf Festland in der Welt!
Albatrosse sind riesige Vögel mit riesigen Flügeln (3 Meter Spannweite), die in riesigen Nestern auf riesigen Jungen hocken, um sie
warmzuhalten. Das ganze ist einfach - naja - nach 5 Minuten hat man's gesehen. Zum Glück
schwangen sich 2 Jungvögel vom letzten Jahr in die Luft und boten ein paar Showeinlagen.
Auf derselben Halbinsel wie die Albatrosse hat es noch Yellow-Eyed-Pinguine (nicht nur die Augen sind gelb, sondern auch die Federn um die Augen) und eine Bucht, in der sich manchmal
Hooker-Seelöwen rumtreiben. Die sind ziemlich selten.
Ratet mal, wen ich in der Bucht getroffen habe? Seelöwen! (Ausserdem
waren da auch noch Sara und Beat, die sich 2 Wochen, nachdem wir uns getrennt hatten, in derselben abgelegenen Bucht in demselben abgelegenen Land herumtrieben wie ich!)
Nun, jetzt bin ich wieder zurück in Christchurch, und harre der Dinge, die in Australien kommen werden.
Also, das war's aus Neuseeland. Der nächste Reisebericht kommt bestimmt - irgendwann.
See ya!
Marcel Schnyder, Ahornsiruphasser