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Montag und Dienstag, 13. und 14. Oktober 2003
Ab sofort waren wir nur noch vier Touristen, denn die beiden treulosen Berliner hatten uns einfach verlassen, und waren zum Baden nach Varadero gefahren.
Für mich gingen die beiden Tage eher ereignislos vorbei. Wir hockten die meiste Zeit im Bus und fuhren nach Südosten und bewunderten das Wetter. Nach diesem kann man hier fast die Uhr richten. Am Morgen ist es jeweils strahlendschön, um 12:00 Uhr ziehen die ersten Wolken auf, um 15:00 Uhr türmen sich riesige Wolkentürme rundherum auf, um 16:00 Uhr werden die Wolken schwarz, um 17:00 Uhr beginnt es rundherum zu blitzen und zu donnern, um 18:00 Uhr beginnt es dann wie aus Kübeln zu schütten, und um 19:00 Uhr ist der Spass wieder vorbei.
Ausser natürlich, wenn vier Touristen aus Zentraleuropa sich Santiago de Cuba anschauen wollen, dann regnet es selbstverständlich den ganzen Abend lang. So eine Schweinerei, das werde ich wohl dem Fidel melden müssen.
Auf dem Weg hierhin hatten wir noch ein paar Fabriken und Provinzstädte besichtigt:
Kurz nach Cienfuegos besichtigten wir eine
Zuckerfabrik, die zwar uralt aussah, aber noch in Betrieb und wohl eine der moderneren im Lande ist. Dort werden während der Erntezeit des Zuckerrohrs
(Dezember bis Mai) 3'400 Tonnen Zuckerrohr pro Tag verarbeitet, und daraus 390 Tonnen Zucker hergestellt. Die Fabrik hat 2'200 Arbeiter, davon arbeiten 270 in der Fabrik, der Rest auf dem Feld. Die Zuckerrohre werden von Hand geerntet (!), weil die maschinelle Ernte aus Mangel an Treibstoff nicht möglich ist
(!!). In den letzten Jahren wurden etwa die Hälfte der Zuckerfabriken Kubas geschlossen, weil es billiger ist, den Zucker auf dem Weltmarkt einzukaufen, statt ihn selber zu produzieren.
In Sancti Spíritus (auf Deutsch: Heiliger Schnaps) gab es einen Bauermarkt, in
Camagüey eine Pizza, ein Hotelbett zum Übernachten und am anderen morgen eine Rundfahrt mit so einer Art kubanischer Rischka. (Dreiradvelo mit 2 Sitzen auf dem Gepäckträger und einem Dach darüber, der kubanische Fahrer müht sich bei grösster Hitze ab, die faulen Touristen hinten grinsen und machen sich möglichst schwer, und geben am Schluss erst noch wenig Trinkgeld. So ist das Leben halt.)
Später besichtigten wir auch noch einen Bauernmarkt in Bayamo, das ist schon fast im Süden. Da werden in einem Art Park Obst,
Gemüse, Fleisch und anderes Zeugs verkauft. Erstaunlich ist, wie sauber es hier überall aussieht. Das Fleisch lag zwar offen im Freien herum, aber auf recht hygienischen Tischen. Und Insekten hatte es fast keine, keine Ahnung, wie die das machen. Vielleicht sind kubanische Schaben einfach sehr gute Kommunisten.
Das ist mir sowieso bisher überall in Kuba aufgefallen: Die Häuser mögen noch so baufällig wirken: Die Gärten davor sind gepflegt, und auch die Leute sind ansprechend angezogen. Man sieht überhaupt keine verdreckten Clochards oder so was. Erstaunlich.
Mittwoch, 15. Oktober 2003
Die Reisegruppe ist wieder auf sechs Leute angewachsen. Es kam ein älteres Ehepaar aus dem Ruhrpott hinzu. Ich mochte die beiden nicht besonders, und sie mochten mich nicht besonders, also werde ich sie nicht mehr weiter erwähnen.
Heute haben wir Santiago de Cuba besichtigt. Hier war es heiss. Und feucht. Sehr heiss. Sehr feucht! Man hätte einen Swimmingpool füllen können mit dem Wasser, das ich an dem Tag rausgeschwitzt hatte. Das Hotel hatte aber schon einen gefüllten Pool, aber das Wasser darin war so warm, dass es zum Abkühlen kaum getaugt hat. Im übrigen handelte es sich um ein richtiges Kommunistenhotel, das wohl vor allem zum Wohl der Parteifunktionäre verschiedenster Art gebaut worden war. Das Hotelrestaurant hiess
"Leningrado", und die Wände waren verziert mit diversen Heldenbildern, unter anderem mit den Antlitzen von fünf kubanischen Spionen, die vor ein paar Jahren in den USA erwischt und eingebuchtet worden waren. Diese Bilder gibt's überall in Kuba, und immer steht "Volveran" drüber oder drunter. Das ist keine Werbung für eine schwedische Automarke, sondern heisst soviel wie "Rückkehr". Damit wird die Freilassung der fünf kubanischen Juan-Bonds gefordert, was aber Herr Bush im fernen Washington DC bisher nicht sehr interessiert hat.
Der Nachteil der Hitze ist, dass ich mich eigentlich kaum erinnern kann, was wir denn in Santiago so alles getrieben haben. Ich war irgendwie nur den ganzen Tag auf der Suche nach (im ungünstigeren Fall) Schatten oder (im günstigeren Fall) einer Klimaanlage.
Irgendwie sind wir am Morgen mal zu einer berühmten Basilika namens "El Cobre" gefahren, wo auch der Papst anno 1998 schon mal war. Das ist eigentlich nicht weiter erwähnenswert, denn der Papst war hier schon überall! Kaum ein Kaff, in dem Tramper Pauli nicht schon mal aufgekreuzt ist. Man erkennt diese Orte auf den ersten Blick: Die Strassen sind sehr gut (noch besser als die anderen) und es gibt sogar Strassenschilder!
Diese scheinen ausserhalb der Papstorte unbekannt zu sein.
Weiter ging's zum
Nationalfriedhof. Hier ist jedermann verscharrt, der in der Geschichte Kubas irgendwann mal irgendeine
Rolle gespielt hat. Ausser Ché Guevara, der hat anderswo ein Monument. Und ausser Fidel Castro, denn der lebt ja noch, sagt man. Dafür aber José Marti, welcher wie bereits erwähnt der Volksheld Kubas ist. Er war offenbar ein
Schriftsteller, und der Gründer von Kuba. Hat mit seinem Geschreibsel die Kubaner 1895 dazu gebracht, Krieg gegen die Spanier um die Unabhängigkeit zu führen. Hat auch geklappt, sonst wäre er heute wohl kaum ein Held. Hat sich aber die Hände nicht gerne schmutzig gemacht. Hat ein einziges
Mal an einer Schlacht teilgenommen, und die hat er dann prompt nicht überlebt. So geht das.
In Santiago gibt's auch die Moncada-Kaserne, wo am 26. Juli 1953 Wichtiges
geschah. Damals kamen nämlich Fidel und seine Mannen (Ché war noch nicht dabei) mit einer Yacht von Mexiko nach Kuba und wollten die Kaserne überfallen, um die Revolutión zu starten. Haben sich aber in der Stadt verfahren, so dass der erste Versuch scheiterte. Die Einschusslöcher von damals werden aber sorgfältig gepflegt, und das Schiff hat in Havanna ein eigenes Museum. Fidel wurden gefangen genommen und ein paar Jahre später ins Exil geschickt. Das war ein Fehler, denn 1958 kam er zurück (diesmal mit Ché) und war dann der erfolgreichere Revolutionär.
Danach haben wir noch eine uralte Hütte mitten in Santiago besucht, die offenbar das zweitälteste Haus von ganz Lateinamerika sein soll. Gebaut 1519. Keine Klimaanlage, dafür aber Schatten.
Später ging's dann noch nach El Morro, das ist eine uralte Festung, die früher mal die Einfahrt zur Bucht von Santiago de Cuba überwacht hat.
Weder Klimaanlage noch Schatten, dafür aber eine
Busladung voll Schweizern.
Danach hätten wir tatsächlich nochmals die Altstadt von Santiago besichtigen sollen, aber wir haben unseren Tourguide mit schweren Drohungen dazu gebracht, uns den Hotelpool vorzustellen anstatt der Errungenschaften des Sozialismus. Ist doch wesentlich angenehmer. (Das war ein Joke. Die Tour war bisher eine freie Tour und keine kommunistische Gehirnwäsche. Ein Hoch auf Marx und Lenin!)
Am Abend gingen wir noch ins "Casa de la Trova" in Downtown Santiago, da
spielte Eliades Ochoa auf. Was, den kennt Ihr etwa nicht? Echt? Habt Ihr denn den
Film "Buena Vista Social Club" nicht gesehen? Ochoa ist einer der Musiker,
von denen der Film handelt. Und er ist einer der berühmtesten Musiker Kubas,
so etwa vergleichbar mit Polo Hofer in der Schweiz, nur dass er weder von
Alpenrosen noch von Kiosken singt, glaub' ich. Habe zwar kein Wort verstanden,
aber vermutlich sang er von Liebe, Salsa und Kokosnüssen.
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Die Jorge & Diana-Story
Ihr wisst alle, dass ich nur sehr ungern Gerüchte verbreite. Trotzdem muss ich Euch über ein paar Ungereimtheiten im Leben von unserem Reiseleiter Jorge berichten:
In Santiago wurde unsere kleine Reisegruppe um eine Person erweitert. Zu den 6 Touristen, 1 Reiseleiter und 1 Fahrer stieg noch eine hübsche, junge Kubanerin namens "Diana" zu. Jorge hat uns erklärt, dass es sich bei Ihr um eine angehende Reiseleiterin handle, die mit uns fahre, um so die Touristenorte kennenzulernen. Im Verlauf des Tages konnte ich folgendes ermitteln:
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| Diana spricht kein Wort Deutsch und nur sehr wenig Englisch. Letzteres ist ziemlich bemerkenswert für eine angehende Reiseleiterin.
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| Diana macht sich auch keine Notizen usw., wie das Leute in der Ausbildung normalerweise so tun.
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| Diana möchte nicht auf dem Beifahrersitz hocken, sondern zieht es vor, sich auf der unbequemen Rückbank direkt neben Jorge zu platzieren.
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Natürlich könnten meine Schlussfolgerungen aus diesen Fakten völlig falsch sein, und Diana wird eine Reiseleiterin für ausschliesslich spanischsprechende Touristen, und sie könnte auch ein fotographisches Gedächtnis haben, was das Notieren natürlich überflüssig machen würde, und sie könnte auch einen schlechten Rücken haben, und ihr Arzt könnte ihr harte Rückbänke verschrieben haben.
Doch am Abend geschah weiter Seltsames: Wir brachen nämlich frühzeitig vom Ochoa-Konzert auf. Die Begründung war, dass wir am folgenden Tag eine lange Strecke vor uns haben würden, und am Besten früh zu Bett gehen würden. Folgsame und willenlose Touristen wie wir gaben natürlich einen Dreck um den Ratschlag und feierten eine kleine Privatparty auf der Terrasse mit Rum und der ersten Zigarre meines Lebens! (War ganz gut.) Und wer schleicht sich da eine halbe Stunde später durch die Gänge und verschwinden im gleichen Zimmer? Jorge und Diana, mit ziemlich erschrockenem und errötetem Gesichtsausdruck, als sie uns erblickten. Das nenne ich eine sehr gründliche Ausbildung!
In den folgenden Tagen taten die beiden dann so, als wären wir alle vollblöde Halb- oder Ganzidioten, die gar nichts checken, und zogen die "seriöse Reiseleitungs-Ausbildung"-Masche durch. Von den Reisekumpels, die noch weiter hinten im Bus sassen, erfuhr ich ganz diskret, dass es da auf der Jorge&Diana-Bank so einiges zu sehen gab.
Wie gesagt, ich verbreite nicht gerne Gerüchte, darum überlasse ich es Euch Lesern, die richtigen Schlussfolgerungen aus diesen harten Fakten zu ziehen...
Ich habe die Adresse meiner Homepage auch Jorge gegeben, falls er mal antworten sollte, so könnt Ihr seine Stellungsnahme hier nachlesen:
(bisher keine Antwort.)
Fahrer "Leibor" oder so hat sich übrigens auch ein Mädchen aufgegabelt, aber das hat mich dann nicht mehr weiter gewundert. Aber Jorge hat meiner Meinung nach den besseren Geschmack bewiesen... |
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