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Ché Guevara
 

Sonntag, 19. Oktober 2003

In der Gegend von Guardalavaca werden nicht nur Kühe und Touristen gehütet, sondern auch Knochen 841461_25_Skelette.jpg (76275 Byte) der Ureinwohner, welche bekanntlich von Kolumbus "Indianer" getauft worden waren. Was für eine geografische Wildsau! Naja, wenn er niemals hier gelandet wäre (übrigens ganz in der Nähe von Guardalavaca, wir waren aber nicht dort), dann wüssten wir heute nichts von denen. Oder sie hätten einen anderen Namen.

Jedenfalls wurde hier ein Indianergrab aus dem 17. Jahrhundert gefunden und ausgebuddelt, und jetzt kann man hier die Überreste diverser Leute in Original-Stellung bewundern. Ich hoffe nur, dass niemals irgendjemand meine Knochen finden und für einen Dollar Entritt ausstellen wird.

Später am Vormittag absolvierten wir unsere letzte Fahrt mit der Eisenbahn auf dieser Reise. Von einer 841461_31_ZugBauernhof.jpg (121212 Byte) Dampflok gezogen und von einer Salsaband begleitet gondelten wir auf alten Gleisen, die mal zu einer Zuckerfabrik gehört hatten, durch die Gegend zu einem privaten Bauernhof. Es ist den kubanischen Bauern erlaubt, bis zu 60 Hektaren Land privat zu bewirtschaften, und das tut der besuchte Bauer auch auf deren 56 Hektaren. Es gab frische Bananen und frisch gepressten Zuckerrohrsaft, welcher sehr gut, aber auch sehr süss ist. (Ich weiss, ist irgendwie logisch.) Ausserdem hatte es viele Tiere auf dem Hof, Hunde und Katzen, Hühner und Enten, Kühe und Schweine. Die Letzteren hatten es auf den Zuckerrohrsaft abgesehen und versuchten in jedem unbeobachteten Augenblick, den Kübel mit dem Saft umzustossen und selber zu saufen. (Den Saft, nicht den Kübel!) Natürlich gelang es ihnen auch, schliesslich sind Schweine nicht saublöd.

Anschliessend sassen wir wieder in den Bus und fuhren ewig lang quer durchs Land. 672139_30_Maria.jpg (86358 Byte) Nach 6 endlosen Stunden kamen wir in einem Hotel in Morón an, dass irgendwie einen sehr sozialistischen Eindruck machte, schlimmer noch als das Hotel in Santiago! 672139_07_SunsetFahnen.jpg (61937 Byte) Überall hingen Bilder von kubanischen Helden herum, auf den Tischen lagen noch die Krümel vom Vortag, und immer, wenn irgendwas Neues aufs Frühstücksbuffet gestellt wurde, stürzten sich die Parteifunktionäre wie Krokodile (das sind die einzigen wilden Tiere Kubas) darauf und füllten ihre Teller bis knapp unter die Decke, so dass für uns nichts mehr übrig blieb. Tja, auch für die Kommunisten ist Gier kein Fremdwort.

 

Montag, 20. Oktober 2003

Heute fuhren wir nach Santa Clara, wo wir unsere letzte Nacht auf dieser Reise 839789_08_CheGuevara.jpg (84661 Byte) verbringen sollten. In Santa Clara liegt auch das Grab von  Comandante Ernesto "Ché" Guevara, weshalb ich hier wohl ein paar Worte über denselbigen verlieren sollte.

Ratet mal, aus welchem Land Ché stammte. Nein, nicht aus Kuba, sondern aus Argentinien. Er war der Sohn einer reichen Familie und wurde Arzt. 1953 hatte Fidel das erste CheGuevara.gif (18890 Byte) Mal versucht, in Kuba seine Revolution zu starten, was aber misslang (siehe das Kapitel über Santiago). Fidel wurde eingesperrt und später nach Mexiko deportiert. Dort lernte er Ché kennen.

1958 kamen beide nach Kuba und starteten die Revolutión zum zweiten Mal. Diesmal startete die Sache erfolgsversprechender. Den genauen Verlauf der Kämpfe kenne ich nicht, aber die entscheidende Schlacht fand hier in Santa Clara statt, und zwar unter weiser Führung von Ché Guevara. Er liess mit Hilfe von 18 Mitstreitern und 1 Bulldozer einen Munitionszug des vorherigen Diktators 672139_36_Entgleist.jpg (110787 Byte) Baptista aus den Gleisen springen. Damit unterband er die Versorgung von Baptistas Armee, worauf diese aufgeben musste, und der Diktator selber nach Portugal abhaute. Die entgleisten  Bahnwagen und der Bulldozer stehen heute noch an Ort und Stelle und dürfen gegen Dollars besichtigt werden.

Ché wurde darauf unter bemerkenswerten Umständen Wirtschaftsminister. Fidel fragte nämlich seine Kumpels, ob irgendjemand etwas von Wirtschaft verstünde. Ché verstand aber, ob irgendjemand etwas von Kommunismus verstünde, und streckte umgehend seine Flosse in die Höhe. So kam er zu dem Job, oder so erzählt man sich’s jedenfalls.

Später wurde er mit (sehr) speziellen Aufträgen betraut. So wurde er 1967 von Fidel nach Bolivien geschickt, wo er auch eine sozialistische Revolution starten sollte. 839789_05_CheGuevaraPlatz.jpg (91170 Byte) Der Plan ging gewaltig in die Hosen, und Ché wurde gefasst, zusammen mit seinen Mitstreitern und seiner deutschen Freundin Tania. Später wurde die ganze Gruppe hingerichtet und verscharrt. Wer dafür verantwortlich war, ist mir nicht ganz klar. Die Kubaner sagen, der CIA war’s, und der CIA sagt, die bolivianische Armee war’s, und was die bolivianische Armee sagt, weiss ich nicht..

1997 wurde das Massengrab in Bolivien gefunden, und die Knochen Chés und der anderen wurden in ein aufwändiges Mausoleum hier in Santa Clara gebracht, wo man die Gräber heute besichtigen kann. Ausserdem gäbe es auch noch ein Ché-Museum, welches aber für uns geschlossen blieb. Seid froh darüber, sonst wüsste ich noch mehr zu schreiben.

Einen Song über Ché Guevara gibt's natürlich auch:

 

Dienstag, 21. Oktober 2003

So, das war definitiv der letzte Tag der Rundreise. Wir fuhren noch nach Varadero, das Touristenmekka Kubas. Nur Kubaner hat’s hier fast keine. 839789_21_SunsetHavanna.jpg (68895 Byte) Varadero ist eine 20 km lange und nur ein paar hundert Meter breite Halbinsel, wo es von All-Inklusiv-Hotels nur so wimmelt. Sieht aus wie in Gran Canaria, nur dass man diverse Stunden länger im Flieger  sitzen muss. Keine Ahnung, wieso man sich so was antun kann. Vom echten Kuba sehen die Touristen hier überhaupt nichts.

Am Abend wurde ich noch in einem Hotel im Stadtteil Miramar in Havanna abgeliefert, wo ich noch die letzten zwei Tage zu verbringen gedachte, bevor ich nach Paris weiterreiste. Ein Tourist nach dem anderen wurde irgendwo ausgeladen, ich war der Letzte.272330_15_Kamel.jpg (128345 Byte) Die zweiletzten waren das Pärchen aus dem Ruhrgebiet, und sobald die weg waren, ging auf dem Rücksitz eine Knutschszene los, wie es Hollywood nicht besser hätte inszenieren können. Ich werde den Status der Jorge&Diana-Story per sofort von „unbestätigtes Gerücht“ auf „harte Fakten“ ändern.

Miramar liegt an der Atlantikküste, westlich der Altstadt. Hier hausten vor der 839789_36_Schweiz.jpg (110941 Byte) Revolution Stars wie Cary Grant und Henry Fonda, heute ist es das Botschaftsviertel. Ich werde mich mal umschauen, vielleicht dreht Victor Giacobbo in der  Schweizer Vertretung ja gerade "Ernstfall in Havanna 2"?

In dem Viertel gibt’s noch weitere Botschaften, z.B. die 839789_31_Russland.jpg (97365 Byte) russische. Früher musste hier jeweils Fidel Castro antraben, um seine Befehle aus Moskau abzuholen. Das Gebäude wirkt, als wäre es direkt aus Batmans Gotham City entsprungen. Naja, die Sonne dürfte nicht scheinen, dann wär’s perfekt.

Doch die Hütte ist nicht die grösste Botschaft in Havanna, das ist die 841743_01_USA.jpg (80341 Byte) amerikanische. Das ist interessant, denn eigentlich unterhalten die Amerikaner gar keine diplomatischen Beziehungen mit Kuba.  Wie wir aus „Ernstfall in Havanna 1“ wissen, ist dafür eigentlich die Schweizer Botschaft zuständig. 841743_08_ElMorroHavannaFahne.jpg (75525 Byte) Gleich 272330_05_Imperialismus.jpg (116285 Byte) neben der US-Vertretung liegt übrigens der „Platz gegen den Imperialismus“. Das ist dem Vernehmen nach der einzige Ort Kubas, wo jeder Bürger ungefährdet seine freie Meinung sagen darf, sofern er dies gegen die USA tut.

Überall sonst im Lande werden die Leute vom CDR bespitzelt. Der Begriff steht für „Kommission zur Verteidigung  der Revolution“, und es gibt in jeder Strasse ein Gebäude mit diesen drei Buchstaben. In den Häusern hausen dann jeweils aufrechte Parteigenossen, die dafür zuständig ist, dass niemand in seiner Strasse vom rechten kommunistischen Weg abkommt.

 

Mittwoch, 22. Oktober 2003

Schon der letzte ganze Tag in Kuba. Da die Reise bis dahin doch recht anstrengend war, tat ich nicht mehr viel mehr als rumhängen. Musste natürlich noch ein paar Souvenirs einkaufen, und fand sogar denn einzigen richtig grossen Supermarkt Havannas! Das gibt’s also doch! Grosse Halle mit langen Gestellen vollgepackt mit Waren, sogar mit amerikanischen. Coca Cola gab’s in Hülle und Fülle. Am Ausgang stand sogar eine Reihe Kassen mit Strichcode-Scannern! Die moderne Welt macht also auch vor Kuba nicht halt.

Am Abend besuchte ich noch die 841743_40_Kanonenshow.jpg (60266 Byte) Kanonenschuss-Zeremonie im „Fortaleza de San Carlos de La Cabaña“. Rund um die Bucht von Havanna gibt es drei Festungen. Direkt beim Eingang auf der Seite der Stadt liegt das „Castillo del San Salvador de La Punta“, und gegenüber das „Castillo de Les Tres Reyes del Morro“. (Die beiden Festungen sind interessanterweise nicht mit einer Brücke verbunden, sondern mit einem Unterwassertunnel. Überhaupt gibt es in Havanna fast keine Brücken, dafür gleich mehrere Unterwassertunnels.)

Vor einigen Jahrhunderten waren die 841743_11_SunsetKanone.jpg (57985 Byte) Havannaner keine besonders liebeswürdige Gastgeber, ganz besonders nicht für die vielen Piraten, die sich in jener Zeit in der Gegend herumtrieben. Deshalb wurde die Stadt jeden Abend zugesperrt. Und damit das einigermassen synchron passieren konnte, wurde jeweils genau um 21:00 Uhr in der „La Cabaña“-Festung ein Kanonenschuss abgefeuert.

Mit dem Ertönen dieses Knalls wurden die Stadttore geschlossen, und zwischen „La Punta“ und „El Morro“ wurde die Bucht mit einer massiven Eisenkette abgesperrt.

Die Kanonenzeremonie gibt es heute noch jeden Abend um 21:00 Uhr. 841743_12_ElMorroHavanna.jpg (69127 Byte) Die Tore und die Kette sind aber mit der Zeit abhanden gekommen. Schade, das mit der Eisenkette wäre ganz bestimmt ein besonderes Erlebnis für jeden Touristen.

So, das war’s aus Kuba. Ich kann das Land nur noch herzlich weiterempfehlen. Es ist ein wunderschönes, aufregendes und wirklich interessantes Land. Aber wer das echte Kuba noch erleben will, der sollte sich beeilen. Fidel ist alt und krank. Und sobald er das Zeitliche segnet, wird sich hier einiges ändern. Das ist nicht nur meine Meinung, sondern auch diejenige von vielen Kubanern, mit denen ich geredet habe. Ich hoffe nur, die Veränderungen werden in Kuba positive Auswirkungen haben, und das Land nicht ins Chaos stürzen. Wir werden sehen...

Ach ja: Von meiner virtuellen Ehefrau habe ich mich mittlerweile wieder getrennt...

Viele Grüsse aus La Habana

Marcel Schnyder

 

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Letzte Änderung am 29. Dezember 2008.

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