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Freitag, 3. Oktober 2003
Über die Reise hierhin gibt's eigentlich nicht viel zu berichten. Der Air-France-Jumbo war halb leer, das Essen gratis, die Flight Attendants französisch, und der ganze Flug zwei Stunden zu spät. Das hiess also, Ankunft in La Habana by Night und nicht by
Sunset, wie's eigentlich vorgesehen war. Der Taxifahrer fand das Hotel, und ich mein Bett, und so ging der erste Tag zuende.
Am Morgen startete ich zur ersten Erkundungstour in La Habana. (Wenn ich richtig hingehört habe, dann spricht man das "b" auf spanisch wie ein "v" aus. Das deutsche "Havanna" ist also nicht sooo falsch.)
Havanna ist eine Stadt der Gegensätze, wie ich's noch nie erlebt habe. Es gibt wunderbare
Prachtstrassen mit Palästen und frischrenovierten Luxushotels. Zwei Querstrassen weiter stehen Schrotthaufen von Häusern, bei denen man erwartet, dass sie in den nächsten paar Minuten zusammenkrachen werden. (Einige Schutthaufen zeugen davon, dass die Häuser nicht nur so aussehen, sondern gelegentlich wirklich den Geist aufgeben.)
Erstaunlicherweise sehen die Strassen (meistens) viel besser aus als die Häuser. Die meisten sind in einem recht guten
Zustand und grösstenteils schlaglochfrei! Vielleicht kann es Fidel halt einfach nicht ausstehen, wenn er sich ständig seinen revolutionären Kopf stösst, wenn er in der Staatskarosse durch die Stadt blocht. Dagegen helfen gute Strassen sehr gut.
Mein Hotel sieht neu renoviert und äusserst stabil aus. Es liegt mitten in Habana Vieja, der Altstadt. Hier wird man alle paar Meter von irgendjemandem angequatscht. Hier eine Auswahl der Gestalten, die ich bisher so getroffen habe:
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- Männer, die Zigarren anbieten.
- Männer, die Zigarren oder Frauen anbieten
- Männer, die nur mit einem quatschen wollen, die Dich nachher in eine Bar oder so einladen, wo sie und alle ihre Freunde dann die einen Haufen teure "Cuba
Libres" schlürfen, die Du am Ende bezahlen darfst. (Diese Erfahrung hat mich am ersten Abend 51 $ gekostet. Aber wenigstens hat sie im berühmten Buena Vista Social Club stattgefunden, und eine CD mit Autogramm der Band hat es dazu auch gegeben.)
- Prostituierte. (Selten, meistens hast Du's nur mit deren Zuhältern zu tun.)
- Normale Kubaner, die mal wieder Neuigkeiten aus dem Ausland hören wollen, die nicht von Fidel Castros Regime gefiltert worden sind. Bei solchen Leuten landet man sehr schnell in deren
"Casas" (Privatwohnung), wo man einen extrem starken Kaffee bekommt, der einen an den milden innerschweizerischen Kaffee gewohnten Touristen fast aus den
Socken hauen kann. Aber mit der Zeit gewöhnt man sich daran.
- Streunende Hunde. Eher kleine, erbärmliche Gestalten mit traurigem Blick. Bieten weder Chicas noch Zigarren an.
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Strategie zu Punkt 1 bis 4.
Dieses ständige Angequatsche geht einem schnell auf die Nerven. Nicht, dass ich kein Verständnis dafür hätte. Den Kubanern geht es seit dem Niedergang der Sowjetunion sehr schlecht. Für vieles muss man mit harten Dollars bezahlen, den Lohn aber bekommen sie in Pesos, und das nicht allzu üppig. Trotzdem habe ich mir eine Strategie zurechtgelegt: (Hallo Mutter, Du solltest absitzen, bevor Du weiterliest:)
Ich habe geheiratet!
Wirklich! (Tja, ich höre schon den Aufschrei, der durch die Schweizer Damenwelt geht! Tja, Pech gehabt! Ich wäre jahrelang zu haben gewesen, aber Ihr habt ja nicht rechtzeitig zugegriffen...)
Wirklich! Leider leidet meine Frischangetraute an irgendeiner exotischen Krankheit, welche sie daran hindert, jemals das Hotelzimmer zu verlassen.
Dafür erzählte ich jedem Typen, der mir eine Chica andrehen wollte, dass ich auf dem Weg ins Hotel sei, wo meine
"esposa" (Ehefrau) auf mich wartete. Damit waren die Typen in Sekundenbruchteilen abgewimmelt. (OK, gegen die Zigarrentypen hilft's nicht, aber es reduziert den Zeitaufwand für einen Stadtbummel gewaltig.)
"Esposa" bedeutet übrigens nicht nur "Ehefrau", sondern gemäss dem Wörterbuch auch "Handschellen". Spanisch ist wirklich keine sehr romantische Sprache...
Zum Glück hat mich nie jemand gefragt, wieso ich keinen Ehering trage. Dazu müsste ich mir zuerst noch eine Ausrede einfallen lassen. (Kann man von einem Ehering eigentlich einen Ausschlag kriegen? Das wäre wirklich praktisch. Alle Ehefrauen und -männer, die das Lesen: Bitte hinterlasst Eure Erfahrungen zu dieser Frage in meinem
Guestbook!)
Aber ich habe auch bei Punkt 5 einige sehr interessante Leute
kennengelernt:
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| William, Lehrer. Wohnt in einem Loch in der Nähe vom Hotel Habana
Libre. Wollte mir eigentlich Zigarren verkaufen, hat mir aber dann seine Wohnung gezeigt, ohne dass ich ihm Glimmstängel abgenommen hätte. "Loch" ist tatsächlich die richtige Bezeichnung, war aber wenigstens ausgerüstet mit TV, Video und Waschmaschine.
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| · Nancy und Alejandro, Calle Montserrat. Habe ich beim Abendspaziergang
kennengelernt. Beide sprachen nicht sehr gut Englisch, und ich spreche nicht sehr gut Spanisch (die Untertreibung des Jahres), also hat Nancy versucht, mir Spanisch beizubringen. Der Erfolg war - kläglich.
Naja, trotzdem haben die beiden mich in Ihre Wohnung eingeladen. Die liegt im obersten Stock in einem alten Haus, das aber wohl die nächsten Jahre noch stehen bleiben wird. Dort wohnen sie mit der Mutter. Habe die beiden zum Essen eingeladen. Es gab gegrillte Langusten in einem der Privatrestaurants in der Stadt, genannt
"Paladares". Seit einigen Jahren ist es den Kubanern möglich, mit Lizenz des Staates ein eigenes Restaurant eröffnet. Sie stellen einfach ein paar Tische in ihre Wohnzimmer, und dort wird der zahlungskräftige Tourist für wenig Geld dann mit einheimischen Speisen verwöhnt.
Am Tag danach haben die beiden mich bei ihnen zuhause wirklich privat zum Abendessen eingeladen! Die Tochter und deren Sohn Lionel waren auch da. Das komische war: Nur Alejandro und ich durften am Tisch Platz nehmen und dort essen. Die anderen nahmen sich ihr Essen und verzogen sich irgendwohin. Ich weiss nicht genau, was es zu bedeuten hatte. Wahrscheinlich war es eine besondere Ehre für mich. Hier noch für alle Feinschmecker das Menü: Suppe mit Teigwaren und einem gesottenen Hühnerbein. Danach gab es Poulet an einer Tomatensauce, dazu braunen Reis mit schwarzen Bohnen. Als Beilage gab es noch gekochte Avocados sowie eine Tortilla mit Soja, Kartoffeln und Papaya. Das ganze war sehr gut und extrem kubanisch, wie ich noch feststellen sollte...
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| Yamila ist 29 und hat mal vier Jahre in der DDR in einer Hemdenfabrik gearbeitet, deswegen spricht sie recht gut Deutsch. War mit Ihr im Museo de la Revolución, und sie hat mir ein wenig von Kubas Geschichte erzählt. Ich weiss schon, was Ihr jetzt denkt. Aber nein, Romantisches gibt's nicht zu berichten. Dazu war
ich viel zu sehr mit einer Rechenaufgabe beschäftigt: Die DDR gibt's seit 14 Jahren nicht mehr, Yamila war vier Jahre da, und ist heute 29? Falls einer der Hobby-Mathematiker unter Euch des Rätsels Lösung kennt, dann vertraut Euch doch dem Guestbook an...
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So, genug für heute. Morgen ziehe ich in ein Hotel in
Vedado, einem nobleren Quartier von Havanna. Dort wird in ein paar Tagen meine Rundreise durch Kuba starten. |
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